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Antibiotika-Resistenzen – eine unterschätzte Gefahr?

Ob Lungenentzündung, Sepsis oder Tuberkulose: Viele früher gefürchtete Erkrankungen haben durch die Entdeckung der Antibiotika Mitte des 20. Jahrhunderts ihren Schrecken verloren. Mit dem richtigen Antibiotikum können sie oftmals binnen weniger Tage oder Wochen überwunden werden. Diese zuverlässige Wirkung wird jedoch durch Resistenzbildungen zunehmend gefährdet. Denn ein Antibiotikum kann einen resistent gewordenen Erreger weder abtöten noch in seinem Wachstum hemmen. Die Wirkung des Medikaments bleibt aus und Krankheiten, die bislang einfach und schnell mit Antibiotika behandelt werden konnten, werden plötzlich (wieder) bedrohlich.

Durch Antibiotika sind viele Infektionskrankheiten gut behandelbar geworden. Doch immer öfter hört man, dass gängige Antibiotika nicht mehr wirken, weil Erreger dagegen resistent werden. Wie kommt es dazu? Wie gefährlich ist das? Und wie kann man dieser Gefahr begegnen?

Eine im Frühjahr 2022 in „The Lancet“ publizierte Studie zeigt das Ausmaß der Gefahr. Die Autor:innen schätzen anhand der erhobenen Daten, dass im Jahr 2019 weltweit mehr als 1,2 Millionen Menschen an einer Infektion mit einem Antibiotika-resistenten Erreger verstorben sind – das sind in etwa so viele Todesfälle wie durch HIV und Malaria in gleichen Zeitraum zusammen.

Antibiotika-Resistenzen sind im Prinzip etwas Natürliches und treten auch ohne menschliches Zutun in der Umwelt auf. Denn Bakterien besitzen die natürliche Fähigkeit, sich gegen Antibiotika, die von anderen Mikroorganismen wie z.B. bestimmten Pilzen produziert werden, zu schützen. Diese Resistenzen entstehen durch natürliche Mutationen im Erbgut der Bakterien oder durch Aufnahme von Resistenzgenen aus der Umgebung, die Bakterien untereinander austauschen und dabei weitergeben. Bakterien können mehrere Resistenzgene aufnehmen, die sie gegen verschiedene Antibiotika schützen. So entstehen mehrfach- bzw. multiresistente Erreger (MRE), die einer Vielzahl von Antibiotika widerstehen können, diese Widerstandsfähigkeit weitervererben und ein ernstes Problem für die menschliche Gesundheit darstellen, wenn es sich um Krankheitserreger handelt.

Durch den Einsatz von Antibiotika entsteht ein Selektionsdruck: Bakterienstämme, die eine Resistenz gegenüber dem Antibiotikum besitzen, überleben, können sich weiter vermehren und ausbreiten. Wenn Antibiotika zu oft, über einen zu langen Zeitraum oder unsachgemäß angewandt werden, begünstigt das die Entstehung und Verbreitung von resistenten Erregern. Antibiotikaresistente Erreger treten daher oft dort auf, wo viele Antibiotika eingesetzt werden, etwa in Kliniken, aber auch in der Landwirtschaft. Ein großes Problem ist beispielsweise der umfangreiche und wenig zielgerichtete Einsatz von Antibiotika in der ohnehin fragwürdigen Massentierhaltung.

Grundsätzlich stellt der Wirkungsverlust eines Antibiotikums eine Gefahr für jede Person dar. Denn Infektionen mit resistenten Erregern lassen sich meist schwieriger behandeln und können einen komplizierteren Verlauf nehmen. Ein erhöhtes Risiko für solche Infektionen haben insbesondere Menschen mit einem schwachen Immunsystem, mit Autoimmunerkrankungen, Kinder mit einer unreifen Immunabwehr und ältere Menschen, bei denen das Immunsystem nachlässt. Weitere Risikogruppen sind Organtransplantierte, Krebspatient:innen bei einer Chemotherapie, Diabetiker:innen und Patient:innen, bei denen ein invasiver Eingriff durchgeführt wird.

Ein wichtiger Ansatz zur Verringerung von Antibiotika-Resistenzen ist der gezielte und sparsame Einsatz von Antibiotika. Es gilt der Grundsatz, dass die Einnahme so kurz wie möglich, aber so lange wie nötig erfolgen sollte. Denn kommen Bakterien häufig in Kontakt mit Antibiotika oder werden diese zu kurz und in zu geringer Dosis angewendet, dann können die nicht abgetöteten Bakterien resistent gegenüber den eingesetzten Antibiotika werden. Immer wieder kommt es leider auch vor, dass Antibiotika bei Krankheiten eingesetzt werden, die gar nicht von Bakterien, sondern von anderen Erregern wie beispielsweise Viren verursacht werden. Dann kann das Medikament gar keine positive Wirkung entfalten, der undurchdachte Einsatz jedoch zur Bildung von Resistenzen beitragen. Auch sollte nicht jede leichte Erkältung gleich mit Antibiotika behandelt werden.

Ein besonderes Problem ist das Auftreten antibiotikaresistenter Erreger in Krankenhäusern. Denn zum einen müssen Antibiotika in Krankenhäusern vergleichsweise häufig eingesetzt werden und zum anderen treffen dort viele verschiedene Keime aufeinander. Hinzu kommt, dass sich in Spitälern überproportional viele vulnerable Personen befinden. Darum gibt es Krankenhausapotheker:innen, die sich auf den rationalen und strategischen Einsatz von Antibiotika spezialisiert haben („Antibiotic Stewardship“). Mit ihren Kompetenzen tragen sie dazu bei, die Wirkung der Antibiotika zu erhalten und Resistenzen vorzubeugen. Unter anderem beraten sie mit ihrer Expertise Angehörige anderer Gesundheitsberufe und Patient:innen im sachgemäßen Umgang mit Antibiotika.

Ihre Kolleg:innen in den öffentlichen Apotheken leisten einen wichtigen Beitrag zur Prävention von Antibiotika-Resistenzen, indem Sie über die verschiedenen Antibiotika-Typen und die richtige Anwendung informieren sowie für das Thema Resistenzbildung sensibilisieren.