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Zur Stelle, wenn ein Leben zu früh beginnt

Gemeinsam mit Ärzt:innen und Pflegekräften versorgen Apotheker:innen extrem frühgeborene Kinder

Rund sieben Prozent der Kinder in Österreich kommen als Frühgeborene zur Welt, also vor der vollendeten 37. Schwangerschaftswoche (SSW). Je früher ein Kind geboren wird, desto unreifer sind seine Organfunktionen und umso höher ist das Risiko, dass es erkrankt oder eine bleibende Beeinträchtigung erleidet. Bei extrem unreif geborenen Kindern (Geburt vor der 28. SSW) geht es häufig sogar um Leben und Tod. Darum ist es ganz wichtig, dass diese extrem Frühgeborenen rund um die Uhr eine optimale medizinische und pharmazeutische Behandlung erhalten. Diese anspruchsvolle Aufgabe wird von einem harmonierenden interdisziplinären Team geleistet, in das Apotheker:innen ihre pharmazeutische Expertise einbringen.

Mit ihrer pharmazeutischen Expertise leisten Krankenhausapotheker:innen einen wichtigen Beitrag zur Behandlung (extrem) frühgeborener Kinder.

Große Fortschritte bei der Rettung extrem frühgeborener Kinder

Auf den neonatologischen Intensivstationen des Universitätsklinikums AKH Wien werden Kinder behandelt, die so früh zur Welt gekommen sind, dass sie teils weniger als 500 Gramm wiegen und kaum so groß wie die Hand eines Erwachsenen sind. Noch vor wenigen Jahren hätten viele dieser winzigen Patient:innen keine Überlebenschance gehabt. Durch moderne Therapieansätze und interdisziplinäre Zusammenarbeit konnte die Grenze der Überlebensfähigkeit von extrem unreifen Frühgeborenen inzwischen auf 22 bis 23 Schwangerschaftswochen gesenkt werden. In Wien überleben auf den von Prof. Dr. Angelika Berger geleiteten Frühgeborenen-Intensivstationen inzwischen weit über 80 Prozent aller extrem Frühgeborenen und ebenfalls weit über 80 Prozent zeigen im Verlauf eine günstige neurologische Entwicklung. Solche Erfolge sind nur durch eine sehr gute fachliche Zusammenarbeit und den großen persönlichen Einsatz von Ärzt:innen, Krankenhausapotheker:innen und Pflegekräften möglich.

Extrem frühgeborene Kinder wiegen bei der Geburt oftmals weniger als 500 Gramm.
Um die fehlende Entwicklungszeit im Mutterleib kompensieren zu können, benötigen extrem früh geborene Kinder rund um die Uhr intensive medizinische und pharmazeutische Versorgung. Neben dem Inkubator befinden sich u.a. zahlreiche Infusionspumpen. Über diese erhalten die jungen Patient:innen individuell zusammengestellte Nährstoffe und Medikamente.

Tägliche individuelle Infusions-Sets für jedes Frühgeborene aus der Anstaltsapotheke

Der Aufwand, um die kleinen Patient:innen bestmöglich versorgen zu können, ist groß – nicht nur direkt auf den Intensivstationen, wo zu jeder Tages- und Nachtzeit ca. drei Fachkräfte pro Frühgeborenem benötigt werden. So stellen in der von Mag. Martina Anditsch geleiteten AKH-Anstaltsapotheke Pharmazeut:innen und pharmazeutisch kaufmännische Assistent:innen jeden Tag in Handarbeit und mit Hilfe von automatisierten Pumpsystemen  alle planbaren Infusionen für die nächsten 24 Stunden her – ganz individuell für jede/n Patient:in. Das ist eine ganze Menge, denn ein „Set“ an Infusionen umfasst pro Frühgeborenes teilweise 15 Perfusoren oder mehr (= Spritzen für Infusionspumpen) sowie eine Vielzahl an Schläuchen („Lines“), Stegen und Verbindern. Darüber hinaus wird auch ein Großteil der für das Wochenende benötigten Medikamente von der Apotheke vorproduziert.

Die Her- und Zusammenstellung eines solchen patientenindividuellen „Sets“ mit einer Vielzahl an Perfusoren ist pro Tag und (extrem) Frühgeborenem nötig. In der Anstaltsapotheke des AKH Wien fertigen die Apotheker:innen pro Jahr mehr als 6.000 dieser "Sets" an.

Ein wichtiger Bestandteil dieser patientenindividuellen „Sets“ ist die parenterale Ernährung.  Mittels dieser wird der noch unterentwickelte Körper des Frühgeborenen mit Aminosäuren, Fett, Glucose sowie wichtigen Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen durch Infusionen über das Blutgefäßsystem versorgt. Dieses Vorgehen soll so weit wie möglich die natürliche Versorgung mit Nährstoffen im Mutterleib kompensieren. Je nach Laborwerten wird die Zusammensetzung von den Ärzt:innen fortlaufend angepasst (z.B. Zugabe von mehr Natrium bei niedrigen Werten) und von den Apotheker:innen zusätzlich geprüft. Außerdem enthalten die „Sets“ Infusionen, mit denen Medikamente kontinuierlich über 24 Stunden verabreicht werden können („Bypässe“) und Kurzinfusionen zur Verabreichung bestimmter Arzneimittel über kürzere Zeiträume (z.B. Antibiotika oder Schmerzmittel). Im vergangenen Jahr haben die Mitarbeiter:innen der Abteilung i.v.-Service (i.v. = intravenös) der AKH-Apotheke über 6.000 dieser „Sets“ für kleine Patient:innen her- und zusammengestellt. Neben den beiden Neugeborenen-Intensivstationen werden von dem i.v.-Service auch noch die neonatologischen Intermediate-Care-Station sowie Neugeborene und Kinder auf weiteren ausgewählten Stationen der Kinderklinik des AKH Wien mit individuellen Infusionen versorgt – der Service wird laufend ausgebaut.

 

In speziellen Reinräumen stellen Apotheker:innen die verschiedenen Infusionen für die kleinen Patient:innen her.

Höchste Hygienestandards bei der Her- und Zusammenstellung der Infusionen nötig

Besonders herausfordernd: Die Her- und Zusammenstellung dieser „Sets“ muss unter höchsten Hygienerichtlinien erfolgen, denn gerade bei extrem Frühgeborenen ist das Immunsystem noch stark unterentwickelt und kann Krankheitserreger schwer abwehren. Darum werden die Perfusoren von dem Team der Krankenhausapotheke in speziellen Reinräumen patientenindividuell befüllt und steril verschweißt auf die Stationen transportiert. Dort werden die Perfusoren in einer sogenannten Laminar-Air-Flow-Werkbank unter aseptischen Bedingungen zu den jeweiligen „Sets“ zusammengestellt und zu den Infusionspumpen gebracht, die sich neben den Brutkästen der kleinen Patient:innen befinden.

Die Zusammenstellung der Perfusoren zu patientenindividuellen „Sets“ erfolgt unter aseptischen Bedingungen in einer speziellen Werkbank.

Als Arzneimittel-Spezialist:innen stehen die Apotheker:innen des i.v.-Service den Ärzt:innen und Pflegekräften in klinisch-pharmazeutischen Fragestellungen beratend zur Seite. So erarbeiten sie beispielsweise Listen, aus denen auf den Stationen jederzeit ersichtlich ist, welche Wirkstoffe mit anderen kompatibel sind, in welchen Konzentrationen Wirkstoffe mindestens einen Tag bei Raumtemperatur stabil bleiben (so lange hängt ein Infusionsset am Patienten), welche Wirkstoffe vor Licht geschützt werden müssen und in welchem Verhältnis bestimmte Verdünnungen vorgenommen werden müssen. Die Schulung von Pflegekräften im Bereich des aseptischen Arbeitens gehört ebenfalls zu ihren Tätigkeiten. Zudem erledigt die Abteilung wichtige logistische Aufgaben wie die Bestellung, Kontrolle und Verteilung von benötigten Medikamenten und Medizinprodukten für die Stationen.

Zu den Tätigkeiten der Apotheker:innen gehören auch logistische Aufgaben wie die Bestellung, Kontrolle und Verteilung von benötigten Medikamenten und Medizinprodukten für die jeweiligen Stationen.

AKH-Apotheke bald die größte Spitalsapotheke in Europa

Die Abteilung i.v.-Service umfasst derzeit 6 Pharmazeutinnen und 10 pharmazeutisch-kaufmännische Assistent:innen (PKAs). Insgesamt sind in der Anstaltsapotheke des AKH Wien über 200 Personen beschäftigt. Gemeinsam sorgen sie dafür, dass die tausenden Patient:innen auf den verschiedenen Stationen zu jeder Zeit zuverlässig mit den richtigen Arzneimitteln, Diagnostika, Medizinprodukten und speziellen Ernährungsmitteln versorgt werden und die Arzneimitteltherapiesicherheit zu jeder Zeit gewährleistet ist. Rund 15.000 Arzneimittelpackungen verteilen die Mitarbeiter:innen der Apotheke pro Tag an die Stationen des Spitals. Derzeit wird die Anstaltsapotheke des AKH Wien übrigens parallel zum laufenden Betrieb baulich erweitert und wird schon bald die größte Krankenhausapotheke in ganz Europa sein. Rund 200.000 Arzneimittel-Packungen sollen dann künftig vor Ort für die Patient:innen gelagert werden können.