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Biodiversität als bedrohte Apotheke der Natur 

Die biologische Vielfalt unseres Planeten (Biodiversität) ist nicht nur ein ökologisches Gut – sie ist auch ein unschätzbarer Schatz für die moderne Pharmazie und Medizin. Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen liefern seit Jahrtausenden lebenswichtige Wirkstoffe, die den Grundstein für zahlreiche Arzneimittel legen. Doch mit dem fortschreitenden Verlust an Biodiversität droht der Menschheit der Zugang zu einer ihrer wichtigsten Ressourcen für Gesundheit und Heilung verloren zu gehen.

Naturstoffe als Basis moderner Medikamente

Bereits heute stammen rund 50 bis 60 Prozent aller zugelassenen Arzneimittel direkt oder indirekt aus der Natur. Besonders eindrucksvoll ist dies in der Krebsmedizin: Über 70 Prozent der onkologischen Wirkstoffe, die zwischen 1981 und 2019 entwickelt wurden, basieren auf Naturstoffen oder ihren Derivaten.

Was bedeutet Biodiversität?

Biodiversität, auch biologische Vielfalt genannt, umfasst die gesamte Vielfalt des Lebens auf der Erde. Sie bezieht sich auf die Vielzahl an Tier- und Pflanzenarten, die genetische Vielfalt innerhalb dieser Arten sowie die unterschiedlichen Ökosysteme, in denen sie leben. Diese Vielfalt ist entscheidend für das Gleichgewicht der Natur und die Stabilität von Lebensräumen, da sie ökologische Prozesse wie Bestäubung, Bodenbildung oder Wasserreinigung unterstützt. Biodiversität sichert somit auch die Lebensgrundlagen für den Menschen.

Beispiele aus der Pflanzenwelt belegen eindrucksvoll das Potenzial der Natur: So wurde Aspirin, eines der weltweit am häufigsten eingesetzten Medikamente, aus der Rinde der Weide (Salix alba) entwickelt. Das starke Schmerzmittel Morphin stammt vom Schlafmohn (Papaver somniferum). Paclitaxel, ein Medikament zur Behandlung verschiedener Krebsarten, wurde erstmals aus der Pazifischen Eibe (Taxus brevifolia) isoliert. Ein weiteres bedeutendes Beispiel ist Artemisinin, ein hochwirksames Mittel gegen Malaria, das auf den Einjährigen Beifuß (Artemisia annua) zurückgeht – eine Entdeckung, die der chinesischen Forscherin Tu Youyou den Nobelpreis einbrachte.

Auch Mikroorganismen spielen eine Schlüsselrolle in Pharmazie und Medizin: Das weltberühmte Penicillin stammt von einem Schimmelpilz, während Streptomycin und viele weitere Antibiotika aus Bodenbakterien der Gattung Streptomyces isoliert wurden. Diese mikrobiellen Wirkstoffe haben inzwischen weltweit Milliarden Menschenleben gerettet.

Weniger bekannt, aber nicht minder wichtig, ist die Rolle von Tieren in der Arzneimittelforschung. So führte ein Peptid aus dem Gift der brasilianischen Jararaca-Schlange zur Entwicklung von Captopril, einem blutdrucksenkenden ACE-Hemmer. Ein weiteres Beispiel ist Ziconotid, ein Schmerzmittel auf Basis des Gifts der Kegelschnecke (Conus magus), das bei schwersten chronischen Schmerzen eingesetzt wird.

Aus dem Gift der brasilianischen Jararaca-Lanzenotter wurde ein blutdrucksenkender ACE-Hemmer entwickelt.
Die schmerzbetäubende Potenz von Ziconotid, das auf dem Gift der Kegelschnecke (Conus magus) basiert, ist etwa 1000-mal höher als von Morphin.

Forschung im Wettlauf mit dem Artensterben

Trotz des Erfolgs natürlicher Wirkstoffe steht die Forschung unter Druck: Täglich verschwinden Arten, bevor ihr medizinisches und pharmazeutisches Potenzial überhaupt entdeckt werden kann. Tropische Regenwälder, Korallenriffe und selbst der Boden unter unseren Füßen sind Zentren unerschlossener genetischer und chemischer Vielfalt, die von der Art des Menschen zu leben und zu wirtschaften immer stärker bedroht werden.

Die Zahl sind ernüchternd: Von rund 300.000 bekannten Pflanzenarten wurde beispielsweise bisher nur ein Bruchteil systematisch auf ihre pharmakologische Wirksamkeit untersucht. Viele Pflanzen- und Tierarten gehen durch die fortschreitende Naturzerstörung auch bereits unwiederbringlich verloren, bevor sie überhaupt entdeckt oder beschrieben wurden. Der Verlust biologischer Vielfalt bedeutet damit auch einen Verlust künftiger Heilmittel.

Größtes Massenaussterben seit dem Verschwinden der Dinosaurier

Der derzeitige Verlust an Biodiversität ist extrem, vom Mensch verursacht und hat die Ausmaße eines Massenaussterbens erreicht: Schätzungen zufolge verschwinden aktuell jeden Tag etwa 130 bis 150 Tier- und Pflanzenarten unwiederbringlich von der Erde. Diese Rate liegt etwa 1.000-mal höher als die natürliche Aussterberate. Hauptursachen sind die Zerstörung von Lebensräumen durch Landwirtschaft und Urbanisierung, Übernutzung natürlicher Ressourcen, Umweltverschmutzung, invasive Arten und der Klimawandel. Diese Faktoren wirken oft zusammen und beschleunigen das Artensterben weiter. Insgesamt sind bis zu eine Million Arten weltweit vom Aussterben bedroht, was das derzeitige Artensterben zum größten seit dem Verschwinden der Dinosaurier macht. Auch bei Wirbeltieren sind die weltweiten Bestände seit 1970 im Schnitt um über 70 Prozent zurückgegangen.

Biodiversität schützen heißt Gesundheit sichern

Die Erkenntnis ist eindeutig: Wer Biodiversität schützt, schützt auch die Grundlage künftiger pharmazeutischer und medizinischer Innovationen. Internationale Abkommen wie das Übereinkommen über die biologische Vielfalt (CBD) und Prinzipien des fairen Vorteilsausgleichs ("Access and Benefit Sharing") sollen sicherstellen, dass genetische Ressourcen verantwortungsvoll genutzt und Erträge gerecht verteilt werden – besonders auch gegenüber indigenen Gemeinschaften, deren traditionelles Wissen oft zum Auffinden neuer Wirkstoffe beiträgt.

Biodiversität ist also weit mehr als ein ökologisches Ideal – sie ist die Apotheke der Natur und ein zentraler Schlüssel zur Gesundheit der Menschheit. Der Schutz biologischer Vielfalt ist daher nicht nur eine ökologische und ökonomische, sondern auch eine pharmazeutische und medizinische Notwendigkeit. Jeder Verlust eines Ökosystems könnte zugleich ein verlorenes Medikament bedeuten – vielleicht sogar das Heilmittel für eine noch unheilbare Krankheit.

Was kann man im Alltag zum Schutz der Biodiversität beitragen?

Ernährung

▷ Kein oder wenig Fleisch essen: Die Fleischproduktion zerstört (Ur-)Wälder und verbraucht sehr viel Fläche und Wasser.

▷ Saisonal und regional essen: Das reduziert Transportwege und schützt lokale Ökosysteme.

▷ Bio-Produkte kaufen: Diese stammen meist aus biodiversitätsfreundlicherer Landwirtschaft (z.B. ohne Pestizide und Monokulturen).

▷ Keine Produkte mit Palmöl oder Soja aus Regenwaldgebieten: Achte beim Kauf auf Herkunft und Umweltsiegel.

▷ Weniger Lebensmittel verschwenden: Weniger Nachfrage bedeutet weniger auch intensive Landwirtschaft.

Zuhause und im Garten

▷ Insektenfreundliche Pflanzen setzen: Heimische Arten helfen Wildbienen, Schmetterlingen und ähnlichen Tieren.

▷ Keine Pestizide oder chemischen Dünger verwenden: Vermeintliche "Schädlinge" übernehmen auch wichtige Aufgaben in Ökosystemen.

▷ Lebensraum schaffen: Trockenmauern, Totholz, Wasserstellen – teils auch auf dem Balkon möglich.

▷ Beleuchtung nachts reduzieren: Lichtverschmutzung stört viele Tiere.

Mobilität

▷ ÖPNV, Fahrrad oder zu Fuß statt Auto: Weniger CO₂-Ausstoß hilft, den Klimawandel zu bremsen – ein Haupttreiber des Artensterbens.

▷ Elektromobilität bewusst nutzen: Auch hier auf Nachhaltigkeit (z.B. Ursprung des Stroms) und Herkunft der Rohstoffe achten.

Reisen

▷ Urlaub in der Nähe: Flugreisen verursachen hohe Emissionen, die indirekt Lebensräume bedrohen.

▷ Keine exotischen Souvenirs aus tierischen Produkten kaufen (z. B. Korallen, Elfenbein, Schlangenhaut).

▷ Auf Natur achten: In Schutzgebieten nicht abseits der Wege gehen, keine Tiere füttern oder stören.

Bewusst konsumieren

▷ Weniger konsumieren – bewusster kaufen: Jedes Produkt braucht Ressourcen und belastet Ökosysteme.

▷ Reparieren statt wegwerfen: Längere Lebensdauer schützt Rohstoffe und reduziert Müll.

▷ Auf Nachhaltigkeitssiegel achten: Diese halten zwar nicht immer alles, was sie versprechen, sind aber ein Schritt in die richtige Richtung.

Gesellschaftliches Engagement

▷ Initiativen unterstützen: Naturschutzorganisationen brauchen engagiertes Personal und Spenden.

▷ Politisch aktiv werden: Bei Wahlen auf Umweltpolitik achten, Petitionen unterschreiben.

▷ Wissen teilen: Andere inspirieren und für mehr Artenschutz sensibilisieren, z. B. in Schule, Familie, Freundeskreis.